22.-24.9.2017 Besuch in Frau Wandas Tierheimen

Bericht von Marion Keller : Polenfahrt 22.-24.9.2017

Am 22.9. 2017 brausten Ute Heuer, Francis Jepsen und ich (Marion Keller) morgens um 6 Uhr los, beladen nur mit Geschenken für die Tierheim-Menschen und Leckerchen für alle Tiere. Zusammen mit uns 3 Moppeln und unserem Reisegepäck war das Auto dann voll. Wir kamen super durch, die Sonne kam gen Osten immer mehr raus und so waren wir um 13 Uhr bereits in Frau Wandas Haupttierheim in Przyborowko.

Nach einer stürmischen Begrüssung durch die freilaufende Tierheim-Gang, einer ersten Verteilung der Leckerchen aus unseren 2 dicken Taschen und einigen Taschen-Diebstählen, v.a. von der kleinen, jungen Flummihündin Emilka, schafften wir es zum „Büro“ . Die Wiedersehensfreude mit Frau Wanda und Malgorzata war riesengroß, es flossen Tränen und sofort überschütteten sie uns mit Dankesworten und…..

Francis, Ute, Marion, Frau Wanda

Wir alle bemerken, daß Frau Wanda sehr müde aussieht und machen uns ein bißchen Sorgen. Nach einer „kleinen“ Stärkung mit Kaffee und Bergen von Kuchen – unsere Diäten vergessen wir plötzlich…beginnt auch gleich unser langer Rundgang durchs Tierheim. Jedes Tier soll was Schönes aus unserer Tasche bekommen. Sogar für die magenkranken Hunde haben wir Zwieback mitgebracht. Wenn man so ein großes Tierheim in Osteuropa betritt, betritt man eine eigene Welt. Für Menschen, die wenig Tierheim/Tierschutz-Erfahrung haben kann dies auch erstmal ein Schock sein. Viele brechen in Tränen aus und werden von ihren Gefühlen überwältigt.

450 Hunde und 50 Katzen, deren teilweise abgrundtief traurigen Geschichten man nur portionsweise ertragen kann. Viele Hunde und auch Katzen wurden gequält, (krank, alt) ausgesetzt und ihrem Schicksal überlassen oder im Rahmen von Interventionen beschlagnahmt. Doch sollte man sich die Zeit nehmen, das alles auf sich wirken zu lassen und sich viele der kleinen Wesen genau ansehen.

Ich persönlich blende z.B. nach wenigen Minuten bereits den Lärmpegel hunderter bellender Hunde aus und versuche mit den Augen und dem Herzen zu sehen. Ich kann es nicht anders beschreiben, als daß ich an diesem Ort empfinde, daß über all dem Elend auch eine große Wolke aus bedingungsloser Liebe, Fürsorge und Hoffnung hängt. Auch fällt die außerordentliche Sauberkeit, auf die Frau Wanda äußersten Wert legt, sofort auf. Ehrlich gesagt schämt man sich in Grund und Boden, wenn man sieht, daß 2 dünne Frauen, 1 dünner Mann und ein kleines, älteres Männchen es schaffen, alle Tiere so gut und liebevoll zu versorgen, alles so sauber zu halten….. und das mit so wenig Mitteln und Händen.

Alle Tiere dort sind Individuen, alle haben eine eigene Geschichte und eigene Ängste, Freuden, Bedürfnisse und Charakter-Eigenschaften. Ich ärgere mich, daß ich es mit meiner kleinen Digicam und meinen kläglichen Foto-Kenntnissen nicht schaffe, diese Eindrücke in Bildern festzuhalten. Aber vielleicht kann man das ja auch nur live richtig erleben. Bei der Fütterung aller Hunde und der Katzen im Freigehege begleitet uns die Tierheim – Gang „Eingangstor“. Hier sehe ich viele fröhliche Hunde, teilweise richtig charmante Schlawiner, Willi-Wichtigtuer und auch die Scheuen trauen sich, umgeben von ihren Freunden, ein Leckerchen zu nehmen.

Es gibt auch noch eine 2.Gang im Tierheim, die Gang „Alicjas Rudel“. Alicja ist eine supertolle Pflegerin, eine Hundeflüsterin, die schon vielen Hunden wieder das Vertrauen in die Menschen zurückgab. Alicjas Rudel umfaßt mind. 30 Hunde, von klein bis ganz groß und alle begleiten sie durchs Tierheim und „helfen ihr bei der Arbeit“.:)

In dieser Gang sind z.B. die beiden Rolli-Hunde Karolek und Krajka, beste Freunde und voll integriert. Mitglied ist dort auch Faworek Krummbein, der durch seinen langjährigen Aufenthalt im sog. „Hunde-KZ Kielce“ ganz verbogene Beine hat und der diesen Höllenort als einer der Wenigen überlebte. Nachdem das „Tierheim“ Kielce endlich auf großen Druck der Öffentlichkeit und einiger polnischer Tierschützer geschlossen wurde, kam Faworek in Frau Wandas Tierheim. Ich streichle ihn lange, denke an seine schlimme Vergangenheit und bin – wie so oft in solchen Situationen- sehr gerührt, erstaunt und auch demütig, daß er mir sofort sein Vertrauen schenkt und ich ihn berühren darf. Die Schlechtigkeit von Menschen konnte sein Herz und seine Seele nicht zerstören! Nur in seinen Augen sieht man die Schatten.


Faworek Krummbein

Doch sehe ich auch Hunde und Katzen, die noch auf dem Weg sind, ihr Vertrauen in die Welt der Menschen wieder oder zum ersten Mal zu finden. Es ist erstaunlich, wie wenige Hunde ich sehe, die ihr kleines Köfferchen wieder ausgepackt haben und sich bereits auf die Reise ins Licht oder einen anderen besseren Ort machen.

Mir fallen 3 Hunde auf- alle sind recht alt und gebrechlich. Einer davon ist ein alter, großer, schwarzer Rüde, Maksin. Er vor kam vor 1 Jahr ins Tierheim, weil seine Besitzer bei einem Autounfall tödlich verunglückten. Seine Trauer hat nie aufgehört und er hatte auch nie Chancen auf eine Vermittlung in ein neues Zuhause- alt,krank,groß,schwarz. Bei ihm bleibe ich lange stehen und krame das beste Leckerchen aus meiner Tasche- getrocknetes,aber weiches Rinderherz- er guckt nur und will es aber nicht haben. Ich stehe da und hoffe, daß er zumindest ein gutes Hundefutter zu Mittag hatte. Aber eigentlich mag er nicht mehr….Das sind so Momente, wo bei mir die Tränen laufen… 🙁


Maksin,trauriger alter Rüde 🙁

Malgorzata und Frau Wanda erzählen, daß leider fast kein Dosenfutter mehr da ist für die vielen alten Hunde, die meist auch schon Probleme mit den Zähnen haben, wenn sie überhaupt noch welche haben. Gerade die früheren Kettenhunde haben meist enorme Zahnprobleme oder kaum noch Zähne, da diese oft aus Langeweile, Streß, Angst und Hunger in die Ketten oder herumliegende Steine gebissen haben. Ich sehe leider viel zu viele alte und v.a. alte große Hunde und notiere mir gleich in mein Notizbuch: wir müssen unbedingt Dosenfutter beschaffen!!! Zumindest dies können wir für diese Hunde tun. 

Momentan werden für alle 600 Hunde und 100 Katzen ca.300 kg pro Tag!! an Futter benötigt. Wir schauen in Frau Wandas Futter-Magazine- das sind einfach Blechhütten- und sehen leider, daß die Vorräte bis auf ca. 2 Tonnen Trockenfutter und ein paar Säcke Reis geschrumpft sind. Gerade durch die tolle Weihnachtsaktion des Tierschutz Shops, die Anfang des Jahres 15 Tonnen in das Tierheim Przyborowko brachte und unsere regelmässigen Sachspendenfahrten und die Patengelder war die Futtersituation zum ersten Mal bis August relativ entspannt.

Nun muß wieder fast alles eingekauft werden-zu Preisen, die sich immer mehr unserem Niveau nähern. Zum Glück kommt unser Spenden-LKW schon am 30.9. ins Tierheim. Ich rechne kurz: unsere geschätzten 4 Tonnen Trockenfutter (leider wenig Dosen) könnten mit Reis, Nudeln oder Brot gestreckt knapp 3 Wochen reichen- das finde ich super und danke -wie so oft- unseren tollen Spendern/innen!

Leider werden auch die Tierarztkosten immer mehr. In Polen wird alles teurer und die Kosten steigen, auch wegen der vielen verletzten, mißhandelten und alten Tiere, immer weiter an. 🙁 Spätestens da gibt es immer mal wieder Stimmen von außen, die andeuten, daß es insgesamt wohl besser wäre, diese Probleme durch Euthanasie der unvermittelbaren und/oder alten/kranken Hunde und Katzen zu lindern. Natürlich bezeichnen sich diese Menschen als tierlieb und finden, daß so ein Leben ja schließlich auch nicht lebenswert wäre und die Ausgaben könnte man somit verringern. Und dies, obwohl sie noch nie im Tierheim waren und oft ein Vermögen für ihre eigenen alten/kranken Hunde ausgeben.

Ja, was ist so ein kleines Leben wert? Was darf es kosten?

Ich persönlich finde solche Anschauungen überheblich, gemein und egozentrisch. Mich macht das richtig wütend. Aus ethischen und christlichen Gründen werden in Frau Wandas Tierheimen nur Tiere eingeschläfert, die schwer krank sind und dies für sie wirklich eine Erlösung wäre. Das Tierheim wird unter dem Motto „ Jedes Leben ist schützenswert“ geführt.

Der Großteil der Hunde und Katzen in Frau Wandas Heim zeigt ein gewisses Maß an Lebensfreude, nimmt am Geschehen teil, ist neugierig und freut sich total über unsere Leckereien und Streicheleinheiten. Es wird gewedelt, was der Schwanz hergibt. Bei Verträglichkeit –auch beim Füttern!- sind die Hunde in kleinen Rudeln oder mind. zu zweit im Zwinger.

Einige spielen miteinander oder gucken nebeneinander gekuschelt aus ihrer Hundehütte raus, was wirklich putzig aussieht.

Und da gibt es Hugo, einen großen, alten weiß-grauen Hund, der aufgrund einer Hormonerkrankung große kahle Stellen am ganzen Körper hat. Hugo hatte nach vielen Jahren im Tierheim ein schönes Zuhause gefunden. Aber wochenlang trauerte er dort und schließlich konnte sein Herrchen dies nicht mehr mit ansehen und brachte ihn ins Tierheim zurück. Hugo hatte Heimweh! Nach dem Tierheim! Für ihn war es sein Zuhause und erst als er wieder dort war, blühte er wieder auf. Hugo war einer der Hunde, die im Winter diesen Jahres im Rahmen unserer „Wintermäntelchen-Aktion“, einen warmen Wintermantel bekommen hat und diesen sehr liebt-Modell Grizzly 🙂

Natürlich ist Langeweile ein großes Thema, v.a. bei den Hunden in Einzelzwingern und viele Blicke scheinen zu sagen „Nimm mich bitte mit…“. Das auszuhalten ist nicht einfach, aber wir trösten uns , wenn wir uns vor Augen halten, daß wir von Perelka e.V. hart –und das ist wirklich so- dafür arbeiten, daß es alle Tiere dort besser haben. Francis, Ute und ich, begleitet von Malgorzata (ehrenamtl.Helferin u.Dolmetscherin), Frau Wanda und einer kleinen schwarzen Hündin namens Pflaume (Sliwka) haben leider nach allen Katzen und ca. Hund 350 keine Leckerchen mehr. Deshalb werden wir später noch einen Großeinkauf bei Lidl machen und am nächsten Tag unsere Runde beenden. Es sind Stunden vergangen, wir haben viele Fotos gemacht, auch von einigen Patenhunden und nun verabschieden wir uns, um ins Hotel nach Szamotuly zu fahren. Pflaume starrt mir durch die Gitterstäbe des Eingangstores nach…..

Am nächsten Tag sind wir wieder früh im Tierheim und beenden unsere Geschenk-Verteilrunde. Francis hockt im Zwinger ihres Patenhundes Traper und ich soll ein Foto von den beiden machen. Außer einem Rinderohr und anderen Leckereien bekommt er ein nigelnagelneues Hundekissen in seine Hundehütte. Traper findet Francis Einrichtungsgeschmack jedoch total daneben und zieht sein neues Kissen immer wieder aus seiner Hütte raus. Er ist total aufgedreht und überglücklich über die Aufmerksamkeit. Am nächsten Tag werden wir sein neues Kissen völlig zerrupft finden, was wir alle irgendwie voll lustig finden.

Nun gehen wir mit einigen Hunden spazieren- Francis nimmt Traper, ich Pflaume und Ute einen von der Gang. Alle geniessen es und auch das Regenwetter stört keinen. Heute ist Spaziergang-Tag im Tierheim und es sind etliche Menschen da, die die Hunde spazierenführen-das ist Klasse!

Wieder beim Tierheim-Eingang bockt die sonst so brave Pflaume rum und will nicht mehr ins Tierheim-ich muß sie schließlich reintragen….mein schlechtes Gewissen bekommt plötzlich eine Stimme: „Nimm sie mit! Sie ist ausreisefertig-gechipt, geimpft und Dr.Artur kann heute noch die vorgeschriebene amtsärztl. Untersuchung veranlassen.“ Pflaume starrt mich an und es fehlt nur noch, daß sie Buähhhhh!!! Schreit. Malgorzata und Frau Wanda starren mich auch an. Und Francis und Ute auch. Und dann Frau Wanda mit Tränen in den Augen: „Bittäääää, bittäääääää, nimm sie mit, bittääää…… OK- überredet- Pflaume darf mit!! 🙂

Alle grinsen und Ute gluckst „Bittäääääää, bittäääää“. Unsere Ute fährt ja seit 10 Jahren schon zu Frau Wanda ins Tierheim und kennt das. Und überhaupt: wieso kann Frau Wanda auf einmal ganz gut Deutsch!!!???? Sie geniert sich und lässt halt einfach Malgorzata übersetzen, es sei denn, sie sieht die Chance, daß ein Tier ein schönes Zuhause bekommt-dann kann sie recht gut Deutsch! 😉

Nun gucken wir das Tierarztzimmer (ist sehr schlecht ausgestettet, keine Geräte…) an, das derzeit leider mit Kitten vollgestopft ist. Es ist die einzige Möglichkeit, die Kleinen im Inneren unterzubringen. Francis, 5fache Katzenmutti, bricht in Tränen aus- der Start der Kleinen ins Leben ist wirklich zum Heulen. Ohne Mutti, in einem eher ungemütlich wirkendem Raum notdürftig untergebracht. Alle Pfleger/innen haben versucht, den Raum durch Spielzeug und Kratzmatten, kleine Kuschelkörbchen und versch.Futterstellen katzenkindergerecht zu verschönern, aber im Vergleich zu unseren Verhältnissen wirkt es einfach sehr ärmlich und traurig. In meinem Kopf bildet sich der Satz „mittelfristiges Ziel von Perelka e.V.: ein Katzen-Kinderzimmer!“

Nun wollen wir Frau Wanda per Film über die aktuelle Situation interviewen, um unseren Unterstützer/innen einen authentischen Bericht liefern zu können. Malgorzata soll dann absatzweise dolmetschen. Schon kurz nach Beginn des Interviews bricht Frau Wanda in Tränen aus und gestikuliert hilflos. Wir alle heulen mit, incl. Malgorzata, die nur flüstert „ich kann jetzt nicht übersetzen, es kommt aus der tiefsten Seele von Frau Wanda“ Es war ein einziger Hilfeschrei! Nach einem relativ!! gut verlaufenem Jahr bis August, türmten sich verschiedene unerwartete Probleme zu einem Berg auf:

  • die Kündigung Karolinas (wegen Schwangerschaft), die die 150 Hunde und 50 Katzen im Zweittierheim Rusiec durch ihren grossen Fleiß alleine betreute
  • die Kündigung eines langjährigen guten Mitarbeiters (hat eine besser bezahlte Arbeit angenommen)
  • die enorm gestiegenen Tierarztkosten
  • die fehlenden Gelder für die Renovierung des neuen Tierheim-Geländes in Brodziszewo, da wegen der Kündigung Karolinas nun die Tiere aus Rusiec noch vor diesem Winter dorthin ziehen müssen

Wandas schlechter gesundheitl. Zustand und eine bevorstehende Untersuchung, ihre große Erschöpfung
Nachdem wir alle uns wieder gesammelt hatten und wir Frau Wanda versprachen, alles in Bewegung zu setzen, um zu helfen, fuhren wir zur Besichtigung nach Brodziszewo, nur 10 min. vom Haupttierheim entfernt. Brodziszewo: Dazu haben wir zwischenzeitlich schon einen Artikel und Fotos mit einem Spendenaufruf für die Baukosten in Brodziszewo gepostet: https://youtu.be/cT8LpTVvsF8

Ich könnte nun noch viel mehr schreiben v.a. über die wundervolle, unglaublich engangierte und liebevolle Arbeit, die dort jeder über seine körperl. und psychische Kraft hinaus, zum Wohle der schutzbedürftigen Tiere leistet, ich möchte aber auch nicht die Geduld der Leser/innen überstrapazieren…..

Am 24.9.2017 fuhren wir mit Pflaume im Gepäck, vielen Eindrücken, vielen Gefühlen, noch mehr Motivation und der Einsicht „Wir haben es doch gut und unsere Tiere haben es sehr gut. Was haben wir doch oft für Luxusprobleme!!!“

Danke an jeden, der meinen Bericht bis zum Ende gelesen hat.

Es gibt auch schon einen Film über diesen Besuch: https://youtu.be/xy7UJjtl_Ag

 

Haupt-Tierheim Przyborowko

Haupt-Tierheim Przyborowko
Bild 1 von 25

 

 

 

Sliwka (nun Smilla) darf das Tierheim verlassen:

https://www.facebook.com/Perelka.eV/videos/1459674534111046/

Liebe Grüsse Marion Keller, Perelka e.V.

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